ein Kommentar für die österreichische Bauzeitung (gekürzt) über den 12h Arbeitstag bzw. die 60h Arbeitswoche
Wenn die populistischen Kommentare der Gewerkschafts- u. Arbeiterkammer einerseits, rigorose Verteidigungspositionen der Wirtschaftsvertreter andererseits durch Wort, Bild und Ton an uns herangetragen werden, dann muss schnell eine Atem-Mediation verbunden mit dem Mantra „alles ist gut“ her.
Als Geschäftsführer eines Familienbetriebes, der tagein tagaus direkt und keinesfalls aus der Tintenburg mit Menschen kommuniziert, geht nach meiner Ansicht zumindest in der Baubranche die Diskussion am Arbeitnehmer vorbei.
Das sich viele Arbeiter selbst diese Arbeitsformen wünschen könnten, kommt keinem in den Sinn.
In den letzten Jahren hatten wir rege Diskussionen mit manchen Mitarbeitern, die mehr arbeiten wollten, aber aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht konnten.
Bis vor wenigen Monaten wünschten sich einige Arbeiter Betriebsvereinbarungen mit der Akzeptanz des Betriebsrates und periodischen Unterfertigungen durch Arbeitsinspektoren, die ihnen die Mehrarbeit in mehreren Jahresblöcken erlaubt.
Angemerkt, nicht durch den Arbeitgeber initiiert und auch nicht gewünscht. Wieso, darf ich erklären.
Aus meiner langjährigen Erfahrung und der Entwicklung unserer Branche ist es dem Menschen nicht zumutbar, über die jetzt gültigen Durchrechnungszeiträume hinweg 12 Stunden am Tag zu arbeiten.
Körperlich fordernde Arbeit, aktuell verbunden mit enormer Hitze, führt bereits in der Normalarbeitszeit zu Verschleißerscheinungen.
Wir sind immer mehr mit Erschöpfungssymptomen konfrontiert, deren Hintergründe psychisch als auch physisch zu finden sind.
Der Einsatz von IT und die damit einhergehende Beschleunigung, traditionell niedrige Margen am Bau oder die sinkenden Deutschkenntnisse der Baumenschen mit erschwerter Kommunikation lassen die Baupartien zum Blitzableiter für Kunden, Projektleiter, Planer, Subunternehmer oder Betriebsinhaber werden.
Daher werden wir diese Möglichkeiten maximal kurzfristig ausschöpfen (Flexibilisierung = Vorteil), aber niemals zum System werden lassen.
Ansonsten bekommen wir die Rechnung in Form von Mitarbeiterausfällen oder reduzierter Leistung präsentiert. Das will keiner!
Vor allem nicht der, um gewisse Schlagzeilen zu zitieren, böse Lohnräuber (vulgo „Unternehmer“).
Die schlauen Macher stets neuer Vorschriften wollen die schwarzen Schafe erwischen. Doch das gelingt selten. Dafür wird es für seriöse Unternehmen kompliziert. Wer da etwas dagegen sagt wird nur zu oft als der böse Arbeitgeber hingestellt. Klar doch – zuverlässige, tüchtige Dienstnehmer sind schützenswert. Jedoch nicht von irgendwelchen Zimmermannsleuten für neue Vorschriften, sondern aus Interesse der Unternehmen selbst. Fair Play in Arbeitszeit, Lohn, Freizeit, … = die Zukunft. Das braucht Gestaltungsspielräume.
Angenommen es würde passieren,
dass in einigen Jahren überall Menschen rumsitzen die studiert haben, und diese müssten dann 3 Monate auf einen 70-jährigen Handwerker warten, dann macht der 12 Stunden Arbeitstag bzw. die 60 h Arbeitswoche doch durchaus Sinn und unweigerlich muss der nächste Schritt, nämlich das Anheben des Pensionsantrittsalters folgen.
Vielleicht ist aber auch nur System dahinter wie in „Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit“ geschrieben steht:
„In dem Maße, in dem das Handwerk durch die Konkurrenz der Industrie ausgerottet wird und in dem der kleinere Unternehmer, einschließlich des Bauern, existenzunfähig wird, sind wir alle ganz einfach gezwungen, uns in unserer Lebensführung den Wünschen der Großproduzenten zu fügen, die Nahrungsmittel zu fressen und die Kleidungsstücke anzuziehen, die sie für uns für gut befinden, und was das Allerschlimmste ist, wir merken kraft der uns zuteil gewordenen Konditionierung gar nicht, dass sie dies tun.“ -Konrad Lorenz
Quelle: Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit (1973) zitiert nach 29. Aufl. München 2002,
ISBN 3-492-20050-8, S. 96
Macht es zwar auch nicht besser, somit braucht man aber über niemanden zu schimpfen, da es sich rein sachlich gesehen um den Faktor Menschen und dessen Konditionierung egal ob klassisch oder/und operant handelt.
Das einzige was meiner Meinung nach der Menschheit helfen könnte, ist die jeweilige eigene Einstellung zu hinterfragen, und wenn nötig etwas bei sich selbst zu verändern, ansonsten ist ja wirklich alles gut, danke.